Traumpfad München – Venedig – Von Belluno nach Venedig

Etappen 24 bis 28

Von Belluno nach Venedig

Tag 25 –  Von Belluno nach Arfanta

Das Feld der Wanderer hat sich nach der Alpenüberquerung erheblich gelichtet. Wir sind gerade mal neun Personen, die jetzt noch bis Venedig durchwandern. 

Heute gehen wir alle getrennte Wege. Einige wandern nach dem Rother-Guide über den Col Visentin. Andere gehen nach dem Bruckmann-Führer nach Revine. 

Und ich gehe nach einer Wegbeschreibung, die mir im Rifugio San Sebastiano gegeben wurde alleine nach Arfanta. Dort muss ich nämlich im Agritourismo Le noci mein geliehenes Klettersteigset abgeben. 

Zum letzten Mal trenne ich mich also von meinen bayerischen Freunden. Wenn alles glatt läuft sehen wir uns in zwei Tagen wieder. 

Ein paar Mitwanderer gehen morgens zur Post und senden Dinge zurück, die sie nach der Alpenüberquerung nicht mehr benötigen. Da mein Rucksack ohnehin nicht so schwer ist, spar ich mir das. 

Nur Turnschuhe hätte ich gerne für die kommenden Tage in der Ebene. Leider sind wir genau an einem Feiertag in Belluno, so dass alle Geschäfte geschlossen haben. 

Los geht es mitten durch Prosecco-Anbaugebiete. Stößchen!

Zur Orientierung nutze ich GPS-Tracks, die man sich auf der Webseite von Agriturismo Le noci herunterladen kann. 

Nach den ganzen Höhenmetern der letzten Wochen läuft es sich ganz angenehm.

Auf dieser Anhöhe sehe ich erstmals in der Ferne das Meer (auf dem Bild nicht wirklich zu erkennen) und bin fast schon euphorisch. 

Die Begeisterung findet aber ein jähes Ende, als der Weg kurze Zeit später unter meinen Füßen einfach verschwindet. Die Anzeige auf dem GPS spinnt.

Ich laufe also ungefähr in die korrekte Himmelsrichtung und stoße schnell auf einen breiten Forstweg, der ins Tal führt. 

Leider schlängelt sich die Straße in endlos langen Serpentinen hinunter, während der eigentliche Pfad angeblich geradewegs abwärts führt. Ich verbringe gefühlte Stunden auf diesem staubigen Drecksweg, schaffe es aber schlussendlich doch noch ins Tal. 

Nun bin ich wieder auf Kurs, muss aber auf der anderen Seite durch einen vermaledeiten Moskitowald wieder aufsteigen.

Ich kämpf mich durch dreckiges Gestrüpp während mir meine Kleidung nass auf der Haut klebt und ich von oben bis unten zerstochen werde. Ahhhhrg! 

Dann ist es aber nicht mehr weit und ich erreiche schon bald den wunderschönen Familienbetrieb Agriturismo Le Noci. 

Die Pension ist traumhaft gelegen. Es gibt einen kleinen Pool im Garten, ein paar Tiere und ein wild romantisches Panorama. Das Essen ist frisch und lecker. 

Hier könnte man es auch länger aushalten. 

Tag 26 – Von Arfanta nach Ponte delle Priula

Die heutige Etappe ist flach und heiß. Es geht hauptsächlich durch Weinfelder. 

Die Wege sind leicht zu gehen und grün besäumt. Leider tritt bei mir hier wieder das Problem der ersten Etappen zu Tage. 
Meine Bergschuhe sind für dieses Flachland denkbar ungeeignet. 

Hungrig erreiche ich am frühen Nachmittag das Hotel San Carlo, ein Highway-Hotel wie aus einem Tarantino Film. Mir tun tierisch die Füße weh. Nach meinem Mittagsschlaf sitzen auf einmal die Bayern auf der Terrasse. Ihnen hat sich der Solo-Wanderer Sascha angeschlossen. 

Am Abend kehren wir gediegen in einer kleinen Pizzeria an der Schnellstraße ein. Wir sind alle platt aber die Nähe zum Ziel motiviert uns. 

Tag 27 – Von Ponte della Priula nach Bocca Callalta

Frühes Aufstehen ist in den letzten Etappen essentiell, denn wenn die Sonne erstmal ihren Höhepunkt erreicht, brennt sie gnadenlos. Vor den Frühstück ziehen wir los. 

Kieswerke, Weinfelder und Baumschulen prägen das Bild der Etappe. 

Ich würde in der herrlichen Morgensonne gerne Genusswandern aber dafür tun mir die Füße einfach zu sehr weh. Ab jetzt wird nur noch marschiert. Jeder Schritt bringt uns der baldigen Erlösung ein Stück näher. 

In Candelú machen Simon und ich eine kleine Pause. Wir setzen uns in den Schatten hinter einem Supermarkt und bepflastern unsere Füße neu. Das schlimmste ist immer das Anlaufen nach der Pause. Die ersten paar hundert Meter humpelt man wie ein Glöckner. 

Wir ziehen weiter und werden wenig später von ein paar wilden Hunden gejagt. Die nerven ja schon, wenn sie an jedem zweiten Gartenzaun lauthals bellen aber ohne Zaun ist es fast noch schlimmer. 

Den Reiseführer haben wir gerade nicht zur Hand und laufen das letzte Stück an der gut befahrenen Landstraße entlang bis nach Bocca Callalta. Nicht ungefährlich. Und statt Alpenluft wird Feinstaub inhaliert. Wie zu Hause. 

Wir sind nun schon über das Ziel der Tagesetappe hinaus geschossen, da wir sonst am nächsten Tag eine 36 km Strecke stemmen müssten. Wir diskutieren noch, ob wir vielleicht doch noch weiter laufen sollten aber ich habe extreme Schmerzen und die Sonne knallt brutal. Ich weigere mich auch nur einen Schritt zu machen.

Wir beziehen also  Quartier. Nur Sascha ist knallhart und wandert alleine weiter.

Wir waschen unsere Sachen, machen Mittagsschlaf und essen abends gemeinsam Pizza. Hier lernen wir  mit Michael auf den letzten Metern noch ein neues Gesicht kennen.

Nach den Schmerzen des heutigen Tages, graust es mir schon vor der kommenden langen Etappe. 

Tag 28 – Von Bocca Callalta nach Jesolo

Wir beginnen den Tag mit dem Einwurf von Schmerztabletten. Auf unseren Betten liegen unsere Erste-Hilfe-Sets. Bevor wir unsere Schuhe anziehen wird geschnitten, gesalbt, geklebt und verbunden. Nur noch zweimal laufen!

Wenn einem schon alles weh tut, dann muss man das halt mit guter Laune ausgleichen. 

Die letzten Tage laufen wir hauptsächlich auf Deichen. Das ist einerseits schön, weil man hier die beste Aussicht hat. Ab Mittags wird es aber auch schön heiß, weil es keinerlei Schatten gibt. 

Deichkinder.

Für eine Pause legen wir uns wie die Vagabunden, die wir sind, vor den Supermarkt in Musile Di Piave.

Simon ist bedient. Die Schmerzen sind auf dem Traumpfad ungerecht verteilt. Er und ich haben die meisten Probleme mit den Füßen. Vielleicht jammern wir auch nur am lautesten. 

Nach dem Leid der gestrigen Etappe und dem Bammel vor dem heutigen Tag, geht uns die Etappe überraschend geschmeidig vom Fuß. Verstrahlte strahlende Gesichter allerortens. 

Und dann stehen wir auch schon vor den Toren Jesolos.

Dummerweise ohne Unterkunft. 

Das einzige Hotel in vertretbarer Laufdistanz ist ausgebucht. Der Chef sagt uns, er hätte zwar noch ein großes Zimmer aber das sei reserviert von einer Person, die im Laufe des Tages kommen soll. 

Und wie es der Zufall will, ist diese Person unserer neuer Freund Michael, der sich bereitwillig erklärt, seine Bleibe mit uns anderen Vieren zu teilen. Das ist Wanderkameradschaft!  

Kurzerhand werden einige Betten dazugestellt und fertig ist das Matrazenlager. 


Tag 29 – Von Jesolo nach Venedig

Der letzte Tag! Nicht zu fassen. Ganz entspannt geht es los. Heute haben wir keinen Druck. Die Unterkünfte sind gebucht und die letzten Kraftreserven dürfen verbraucht werden. 

Locker flockig am Deich entlang.

Mittlerweile kenn ich jede Sommersprosse auf Simons stets vorauseilenden Waden. 

Als wir dann einmal den Pfad verlassen, um eine mehrspurige Straße zu überqueren, trifft doch tatsächlich Fischi seinen Chef, der just in diesem Moment im Wohnmobil vorbeifährt. Wie hoch ist bitte die Wahrscheinlichkeit???

Mittlerweile laufe ich schon wieder mächtig unrund. Und die verdammte via Fausta gibt mir den letzten Rest. Endlos geht es gerade aus. An zahlreichen Campingplätzen vorbei.

Theoretisch könnte man hier leicht einen kleinen Abstecher machen, um seine geschunden Füße im Meer zu baden aber ich weiche keinen Millimeter von der Straße. Nur kein Risiko eingehen. 

Tja und wie sollte es anders sein? Auf einem der Campinplätze verbringt natürlich ein weiterer Ingolstädter (und Freund von Simon) seinen Urlaub und bringt uns auf den letzten Metern sogar Bier an die Straße. Das ist ein Service.  Ich glaub ich muss auch mal nach Ingolstadt. 

Nach der Pause kann ich fast nicht mehr laufen obwohl der Punto Sabbioni schon in Sichtweite ist. 

Irgendwie quäle ich mich aber die letzten Meter durch und dann kommt auch schon die Fähre. 

Und dann haben wir es tatsächlich geschafft! Veneziaaa! Und ich könnte nicht glücklicher sein. Jeden Meter vom Marienplatz zum Markusplatz gelaufen. Durch Hitze, Hagel, Regen und Gewitter. Über Stock und Stein, Pfad und Straße. Was für ein Gefühl!

Die letzten Kilometer waren dann doch deutlich zermürbender und schmerzhafter als gedacht.

Aber ich bin so dankbar für diesen wilden Ritt. Dankbar für  alle, die mich unterstützt haben mit Blasenpflastern, Zahnpasta und Deo. Für alle, die mir meine Sachen hinterher getragen haben. Für alle Weggefährten, die mit mir gelacht und gelitten haben.

Dankbar für die inspirierenden Gespräche und Blödeleien, für die irre schöne Natur und das gute Essen. Es war wirklich ein großes Abenteuer!

Schade, dass es schon vorbei ist. Ich könnte direkt weiterlaufen.

Naja, heute nicht mehr. Und morgen auch nicht. Aber gebt mir ein paar Tage, ein paar neue Schuhe und ein paar neue Füße und ich laufe bis ans Ende dieser schönen Erde!

Nach einer ausgiebigen Foto-Session auf dem brüllheißen und vollen Markusplatz, verziehen wir uns alle in unsere jeweiligen Hotels. Als ich humpelnd in meiner Unterkunft ankomme, kann es der Hotel-Manager gar nicht glauben, dass ich tatsächlich von München bis nach Venedig gelaufen bin. 

Tja, da sind wir schon zwei. Begeistert erzählt er es auf italienisch sämtlichen Mitarbeitern und Gästen. 

Tag 30 bis 32 – Venedig

Erstmalig in den letzten vier Wochen schlafe ich aus. Und das im Urlaub! Was soll ich heute bloß den ganzen Tag machen, wo ich keine 25 km laufen muss? 

Einen Plan haben wir schonmal. Wir haben uns erneut am Markusplatz verabredet, um die übrigen München-Venedig-Wanderer in Empfang zu nehmen, die eine andere Strecke gelaufen sind und deshalb erst heute ankommen. 

Die Bayern haben Dosenbier organisiert und so wird die Ankunft gebührend gefeiert!

Mission accomplished! So zufrieden kann man nur aus der Wäsche schauen, wenn man 600 km über die Alpen gelaufen ist. 

Gemeinsam gehen wir ein letztes Mal Essen und anschließend getrennte Wege. 

Ich bin noch zwei Tage in der Serenissima, die ich schon mehrfach besucht habe. Die beliebten Sehenswürdigkeiten spare ich mir deshalb und verliere mich stattdessen in den kleinen Seitenstraßen. 

Und so geht meine kleine Geschichte zu Ende. Und wenn er nicht gestorben ist, dann wandert er noch heute…. 

Fazit 

Und wenn auch ihr gerne wandert, die Alpen und Venedig mögt und Schmerzen liebt, dann solltet ihr euch dieses Abenteuer nicht entgehen lassen.  Eine entschleunigte Reise in einer schnelllebigen Zeit. Schritt für Schritt mit frohem Herzen und freiem Kopf. Was könnte es Schöneres geben? 

Tipp

  • Die Bayern, mit denen ich einen Großteil des Weges bestritten habe, sind Blogger-Kollegen. Auf ihrer Seite Eisenfish haben sie ihre (bzw. unsere) Erfahrungen auf dem Traumpfad sehr ausführlich und unterhaltsam niedergeschrieben. Unbedingt lesenswert!

Traumpfad München – Venedig

Teil 1 – Kosten, Organisation, Vorbereitung
Teil 2 – Die ultimative Packliste

Teil 3 – Von München ins Inntal
Teil 4 – Vom Inntal ins Pustertal
Teil 5 – Vom Pustertal nach Alleghe
Teil 6 – Von Alleghe nach Belluno
Teil 7 – Von Belluno nach Venedig

Mehr weltweite Inspirationen in meinem Reisetagebuch!

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10 Comments

  1. says: Audrey

    Oh nein!! Schon vorbei. Dein Ankunftsschmerz ist wohl vergleichbar mit meinem Abschiedsschmerz, dass der Bericht bereits zu Ende ist.
    Ich habe auch bei diesem Post wieder viel gelacht – der „durchgestrichene Text Gimmick“ ist übrigens mein klarer Favorit.
    Danke fürs Teilen! Hätte ich jetzt nicht so viel Respekt vor den Alpen, stünde meine nächste Fernstrecke sonst hiermit fest!

    1. says: Fabian

      Dankeschön! Das nächste Abenteuer steht schon vor der Tür. In zwei Wochen laufe ich von Genf nach Nizza auf dem GR5 über die Westalpen 🙂

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