Bei bedecktem Wetter starten wir auf die vorletzte Etappe der Walker’s Haute Route. Die kommenden zwei Tage werden wir auf dem Europaweg wandern.
Dieser wurde 1997 eingerichtet und führt von Grächen nach Zermatt. Ein hoher Bergweg, der sich landschaftlich stark vom Rest der Route unterscheidet. Eine willkommene Abwechslung.
Wie immer geht es am Morgen zunächst steil Berg auf.
Nach zwei Stunden stehen wir auf 2300 m neben der Statue des heiligen Bernhard, dem Schutzpatron der Alpenbewohner und Bergsteiger. Zwischen einer Herde bimmelnder, wallisischer Schwarzhalsziegen legen wir eine kleine Essenspause ein.
Doch die Temperaturen laden nicht zum Verweilen ein, so dass wir schnell weiterziehen.
Die Wege sind schmal und steinig und führen meist am Hang entlang.
Blaupunkt!
Immer wieder muss man auf dem Europaweg Gefahrenstrecken überqueren. Meist sind das überdimensionale Geröllfelder auf denen Steinschlaggefahr besteht.
So laufen wir den ganzen Tag hoch über dem Mattertal Richtung Süden.
Beim Gang über eine 60 Meter lange, wackelige Hängebrücke fühlen wir uns wie Indiana Jones.
Meine Meindl Kansas und der mir verbliebene funktionstüchtige Wanderstock.
Am Nachmittag erreichen wir die berüchtigte Europahütte.
Noch ist nicht so viel los und wir setzten uns zum Kartenspielen auf die Terrasse. Doch schon bald trudeln immer mehr Wanderer ein.
Unter den Neuankömmlingen befindet sich auch das Ungarische Pärchen, von dem wir uns in La Sage verabschiedet hatten.
Beim Essen, das von einem Schürze tragenden Koch mit der Aufschrift „Ein Mann, der sich nicht wehrt, steht bald am Herd“ serviert wird, tauschen wir uns über unsere Erlebnisse aus.
Die Nacht verbringe ich auf dem Fußboden, da die Hütte bis auf den letzten Platz belegt ist.
Ein Steinbock posiert vor der Hütte fürs Foto.
Unser letzer Tag auf der Walker’s Haute Route! Ein Schlusssprint mit Hindernissen.
Denn die 230 Meter lange Hängebrücke vor der Europa-Hütte wurde von Steinschlag zerstört. Statt ein paar hundert Meter gerade aus zu laufen, müssen wir nun komplett runter ins Tal und auf der anderen Seite der Brücke wieder hoch. Ein schönes Abschiedsgeschenk für unsere Oberschenkel.
Das ganze dauert Stunden und als wir schließlich oben sind, fängt die eigentliche Etappe erst an.
Ab und an führt der Pfad durch Lawinentunnel.
Land in Sicht! Das Matterhorn! Das Ziel unserer Reise! Doch die Reißzahnsilhouette ist noch weit entfernt.
Immer weiter geht es am Hang entlang.
Über blühende Wiesen.
Wir laufen und laufen und laufen bis endlich der finale und endlose Abstieg ansteht!
Und dann stehen wir tatsächlich in Downtown Zermatt! Unglaublich! Wir haben es geschafft!!! Von Chamonix bis hier aus eigener Kraft!
Wir fühlen uns wie Konquistadores als wir fix und fertig zwischen japanischen Touristen und Bergsportlern aller Art durch die Innenstadt flanieren.
Am Bahnhof verabschiede ich mich von meinem Weggefährten und suche mir ein Hostel. Dort erfolgt nach zwei Tagen eine längst überfällige Grundreinigung.
Am Abend gehe ich noch mal ganz gepäckfrei durch die Stadt. Zermatt wirkt ein wenig wie das Disneyland der Alpen. Alles ist sauber und riecht nach Geld.
In der Stadt dürfen nur Elektrofahrzeuge fahren.
Und doch herrscht hier auch der Geist des Abenteuers. Überall begegnet man Bergsteigern, Kletterern und Wanderern.
Auf dem Bergsteigerfriedhof neben der Dorfkirche schaue ich mir all die Gräber von jungen Menschen an, die ihre Passion mit dem Leben bezahlt haben.
Ich bin erschöpft aber glücklich. Am Ziel zu sein ist eine bittersüße Erfahrung. Ich freue mich über das Erreichte, vermisse aber schon jetzt das majestätische Panorama der Alpen. Auch nach 14 Tagen habe ich mich nicht satt gesehen.
Und so beenden wir unsere unglaubliche Reise am Fuße des Matterhorns.
Doch eins ist sicher: der Weg ist das Ziel und der nächste Traumpfad kommt bestimmt. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten meine Wanderschuhe neu zu schnüren.
Nun liegt sie da, die Walker’s Haute Route und wartet darauf von euch entdeckt zu werden!
Klasse! Danke für den stets sehr lesenswerten Reisebericht. Macht Lust selbst einmal die Schuhe zu schnüren 🙂
Nur zu!
Vielen Dank für den wunderbaren Bericht und die tollen Fotos. Da ich nicht höhentauglich bin und wegen der überfüllten Hütten wäre diese Route garantiert nicht’s für mich. Darum finde ich das virtuelle Mitnehmen durch Dich genau das Richtige. 😉
Ach halb so wild. In den meisten Hütten hatten wir reichlich Platz. Nur wenn die Unterkünfte weit abgelegen lagen, konnte es voll werden. Aber alles viel entspannter als erwartet. Und in der Höhe hat man die schönsten Aussichten!
Ich glaub‘ ja nicht, dass ich dort mal wandern werden, aber das Panorama ist wirklich spektakulär. Man kann sehr gut nachvollziehen, dass Dir das Spaß gemacht hat und auch ein wenig süchtig macht.
Never say never. Ich kann es dir nur ans Herz legen. Ein unvergleichliches Erlebnis!
Route auch mit Zelt machbar???
Machbar ist vieles. Aber ich würde es nicht unbedingt empfehlen und ich weiß auch nicht wie es da rechtlich mit Zelten aussieht.
Ich habe auf der gesamten Tour einen Australier mit Zelt gesehen. Der hat nach ein paar Tagen aber auch in den Hütten übernachtet, weil es ihm zu anstrengend war…
Vielen Dank für den tollen Bericht – in welchem Zeitraum habt ihr die Tour genau gemacht?
Hi Elisa, wir sind am 12. Juli gestartet. LG. Fabian