Alpenüberquerung auf dem GR 5 – Von Les Houches bis nach Landry

Etappen 7 bis 9

Tag 7 – Les Houches nach Les Contamines

Eine Erkenntnis, die ich auf dem GR5 gewonnen habe ist, dass die harten Etappen meist gar nicht das Problem sind. 
Man bereitet sich mental darauf vor, dass der Tag sehr lang wird, dass es viele Höhenmeter zu überwinden gilt, dass das Wetter möglicherweise schlecht ist. Und so geht alles meistens glatt. 

Als besonders anstrengend, haben sich aber die Tage nach den harten Etappen herausgestellt. 

Man stellt sich auf eine lockere Wanderung ein und die Anspannung vom Vortag ist weg.

Aber genau das waren bei mir die mühseligsten Tage. Der Körper ist ausgelaugt vom Vortag und der Kopf läuft auf Autopilot. 

Dieser siebte Tag ist für mich einer dieser Tage. Es ist eine der seltenen Etappen, die ich in Begleitung laufe. Hier mit meinen Trailbuddies Daneke und Robert. 

Wir spazieren durch idyllische Dörfer und erreichen schon bald unser Tagesziel Les Contamines

Leider befinden wir uns immer noch auf der TMB-Strecke und so sind fast alle Unterkünfte ausgebucht. 

Daneke und ich bekommen noch zwei Plätze aber Robert, der wenig später eintrifft wird in unserer Hütte abgewiesen (was ich nicht in Ordnung finde für eine Alpenvereinshütte). 

An diesem sehr heißen Tag muss er weitere zwei Stunden zu einer Unterkunft abseits des Weges laufen (und das mit 71 Jahren). 

Tag 8 – Les Contamines nach Plan de La Lai

Heute bin ich wieder komplett allein auf dem GR5. Daneke bleibt in Les Contamines, weil es keine freien Plätze mehr in Plan de la Lai gibt. Wo Robert ist, weiß ich nicht genau. 

Ich habe zwar auch keine Unterkunft aber ich riskiere es. 

Morgens sind die Temperaturen angenehm. 

Ich genieße es alleine in der Natur zu sein. 

Es ist ein herrlicher Tag und die Aussicht könnte schlechter sein. Über den Col du Bonhomme erreiche ich das Refuge de la Croix du Bonhomme

Am Refuge gehen beidseitig Wege ab. Doch schnell sichte ich links die rot-weiße Markierung des GR5 und steige ab. 

Irgendwie kommt mir das alles komisch vor, dass der Abstieg sich so endlos zieht. Meinen Guide habe ich im Rucksack verstaut aber alle zwanzig Minuten stoße ich wieder auf die Markierungen und so steige immer weiter und weiter ab. 

Als ich dann so gut wie ganz unten bin, muss ich mit Entsetzen feststellen, dass ich falsch gelaufen bin. 
Ich würde mich am liebsten zum Sterben hinlegen. 

Zu wissen, dass ich den ganzen Weg in der brennenden Mittagssonne steil wieder rauf muss und dann noch ein großes Stück des regulären Weges vor mir habe ist einfach brutal. 

Mir ist heiß, ich schwitze und mein Wasser ist alle. Aber es nützt alles nichts. Man kommt hier nur zu Fuß oder per Hubschrauber weg. Also stapfe ich wütend wieder bergauf. 

Auf halber Strecke lege ich mich an einen Strom und trinke wie ein Schiffbrüchiger. Keine Ahnung ob das Wasser sauber ist aber das ist mir in dem Moment egal (Don’t try this at home). 

Als ich fast wieder meine Ausgangsposition erreicht habe, kommt mir Robert entgegen!

Dann bin ich ja nicht der einzige Depp! Wir regen uns beide über die irreführende Markierung auf und gehen gemeinsam zum Refuge de la croix du Bonhomme.  

Schnell finden wir den korrekten Weg und machen eine Gratwanderung auf einem himmlisch luftigen Pfad, der von den Gebirgsjägern angelegt wurde. 

Nach dem Grat folgt der zweite zermürbende Abstieg des Tages. 

Vollkommen erledigt erreiche ich das Refuge du Plan de la Lai. Ich bin heute mehr als 2000 Höhenmeter auf- und abgestiegen. Immerhin gibt es sogar noch einen Platz für mich!

Ich warte auf Robert, doch der kommt irgendwie nicht also beziehe ich meine Koje alleine und treffe im Matrazenlager auf Florian aus Paris, der anfangs noch mit dem Zelt unterwegs war aber jetzt aufgrund des Wetters und der langen Etappen sein Zelt abgelegt hat und den Rest der Tour in Hütten übernachten wird. 

Die Hütte ist schön gelegen und ich genieße die Abendsonne, 

Der Blick aus dem Matrazenlager. 

Tag 9 – Plan de la Lai nach Landry

Heute stehen 30 km auf dem Programm. 1075 Höhenmeter rauf und 2120 runter. Nach der unplanmäßigen Tortur vom Vortag, folgt also direkt der nächste Hammer.  

Aber morgens ist der Weg immerhin schattig. Aufgrund schlechter Ausschilderung laufe ich eine kleine extra Schleife und treffe wieder auf Robert.

Der hat am Vortag eine Unterkunft gefunden, die offiziell noch gar nicht geöffnet hatte. 

Ich hatte mich schon gewundert, weil in Plan de la Lai eigentlich nur drei Häuser stehen.  

Da ich schneller unterwegs bin, verabschiede ich mich wieder und steige alleine auf. Der Vortag sitzt mir noch ganz schön in den Beinen.

Das würde ich jetzt auch lieber machen. 

Nachdem ich auf dem Col de Bresson den höchsten Punkt des Tages überwunden habe, folgt der endlose Abstieg

Das Ziel will einfach nicht näher kommen und meine Laune verschlechtert sich mit jedem Meter. 

Als ich gerade durch Gestrüpp gehe und denke, dass mir das rechte Bein weh tut, sticht mich genau in diesem Moment eine Wespe ins rechte Knie. Aaaargh. 

Bald erreiche ich Landry und damit auch einen mentalen Tiefpunkt. Meine Beine tun mir weh, es folgt eine Hammer Etappe auf die Nächste und körperlich wird es nicht leichter.

Es liegen noch mindestens 20 solcher Tage vor mir! Dass man mal einen Durchhänger hat ist normal aber nach nur einer Woche?!

Egal, immerhin ist Pizza-Abend in der Pension. Ich wasche meine Klamotten und mache ein Schläfchen während es draußen gewittert. Am späten Nachmittag taucht zuverlässig Robert auf. 

So! Teil zwei des GR 5 ist erfolgreich abgeschlossen, mal sehen was der nächste Abschnitt bringt. Das Wetter macht nicht gerade Mut. 

Fazit

Wenn man sich durch unnötige Umwege nicht selbst das Leben schwer macht, kann man die herrlichen Landschaften noch viel mehr genießen. Vor allem die Gratwanderung hinter dem Col du Bonhomme ist ein Highlight. 

Tipps:

  • Hinter dem Refuge de la Croix du Bonhomme auf KEINEN Fall links absteigen (auch wenn dort die GR5 Markierung ist), sondern rechts über den Grat (Im Zweifelsfall lieber nochmal in der Hütte fragen oder die Karte konsultieren).
  • Auf jeden Fall sollte man auch für den zweiten Abschnitt alle Unterkünfte vorbuchen, da sich hier der GR5 mit der TMB kreuzt. 

Alpenüberquerung auf dem GR 5

Teil 1 – Kosten, Organisation, Vorbereitung
Teil 2 – Die ultimative Packliste
Teil 3 – Vom Genfer See bis Les Houches
Teil 4 – Von Les Houches nach Landry
Teil 5 – Von Landry nach Modane
Teil 6 – Von Modane nach Ceillac
Teil 7 – Von Ceillac nach Auron
Teil 8 – Von Auron nach St. Dalmas
Teil 9 – Von St. Dalmas nach Menton
Teil 10 – After-Hike-Chill in Nizza

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