Alpenüberquerung auf dem GR 5 – St. Dalmas bis Menton

Etappen 25 bis 29

Tag 25 – Von St. Dalmas de Valdeblore bis Le Boréon

Goodbye GR 5! Hello GR 52!

Wenn ich von St. Dalmas de Valdeblore dem GR 5 folgen würde, wäre ich in drei Tagen in Nizza. Ein verlockendes Szenario.

Doch in vielen Wanderführern wird die Variante über den GR 52 durch die Vallée des Merveilles nach Menton als Highlight der GTA angepriesen.

Und obwohl diese Variante wieder höher in Berge geht und drei Etappen länger ist, möchte ich mir diesen Höhepunkt natürlich keinesfalls entgehen lassen.

Ich verabschiede mich von diesem putzigen Hüttenhund, der Arthritis in der Hüfte hat und läuft wie ein Spielzeug-Roboter.

Dann geht es erstmal 1500 Höhenmeter hoch über den Col du Barn (2452m) und wieder hinunter.

In einem Wald mache ich eine wenig erholsame Pause, weil mich permanent Insekten belagern.

Ich schaffe es immer wieder meine Pausen so schlecht zu timen, dass ich K.O. einfach an den ungeeignetsten Orten halte.

Immer weiter geht es bergab, bis ich endlich vor der Hütte in Le Boréon stehe. Nicht zu früh, denn ich habe massive Schmerzen in meinen Plantarsehnen.

Die Hütte ist voll aber ich bekomme glücklicherweise einen Platz in einem großen voll besetzten Zehn-Personen-Zelt, das vor der Hütte steht.

Man merkt, dass der GR 52 ein Touristenmagnet ist. Entsprechend lieblos ist auch das Hüttenfeeling.

Tag 26 – Von Le Boréon zum Refuge de Nice

Heute ist die einzige Etappe auf der ganzen Tour, die ich mal in Begleitung wandere. Der Genfer Polizei-Anwärter Nicholas läuft mir an diesem herrlichen Morgen voraus.

Im Wanderführer werden zwei Varianten für die Etappe vorgeschlagen. Die etwas längere macht einen Schwenk auf den Col de Fenestre in Italien.

Ein Ausflug nach Italien wäre eine feine Sache aber ich muss schauen wie meine Tagesform ist.

Jetzt stiefel ich erstmal den Boxershorts von Nicholas hinterher, die er zum Trocknen auf seinem Rucksack befestigt hat.

Nach einer guten Weile merken wir dann, dass wir einen schönen Umweg gelaufen sind.

Ich hatte dieses mal ausnahmsweise nichts damit zu tun. Nicholas war für die Navigation zuständig! 

Obwohl es heute eine Menge Höhenmeter zu überwinden gilt, fühle ich mich recht fit, so dass wir beschließen unsere Mittagspause nach Italien zu verlegen.

Schon bald sichten wir zahlreiche Gämse. Groß und klein.

Alte Militärbaracken auf der italienischen Seite des Col de Finestre (2474 m).

Gut getarnte Jungtiere.

Gämse allerorts, am Wegesrand, in und auf den Bunkern und sogar der Staumauer. Keine Wand ist zu steil. Beneidenswert.

Nach der Mittagspause treffen wir wieder auf die reguläre Route und arbeiten uns zum Pas du Mont Colomb (2548m) hoch.

Oben angekommen treffen wir auf eine Pfadfinder-Gruppe aus Bologna, die sich abseits des Weges im Gelände verteilt hat, um eine Pause zu machen. Platz gibt es hier oben nämlich nicht.

Der Pass ist wie ein Nadelöhr. Maximal zwei Personen können hier nebeneinander passieren.

Ausgelassene Stimmung doch wir  ziehen lieber schnell weiter. Und zwar steil bergab.

Bald erreichen wir einen Stausee und sehen auch schon das Refuge de Nice in der Ferne.

Ich wasche meine Klamotten, mache ein Mittagsschläfchen und spiele am Hüttenofen etwas Gitarre. Die Hütte ist voll und beim Abendessen sitze ich mit einer französischen Reisegruppe am Tisch, die zum Angeln im anliegenden Stausee gekommen sind.

Die Hütte ist komplett eingekesselt von Bergen. Als am Abend dunkle Wolken aufziehen, entsteht ein bedrohlich klaustrophobisches Ambiente. Mich juckt das wenig. Ich verkrieche mich einfach im Matrazenlager.

Die italienischen Pfadfinder, die unweit der Hütte zelten, können sich allerdings auf eine ungemütliche, feuchte Nacht einstellen.

Tag 27 – Vom Refuge de Nice über das Refuge des Merveilles zum Camp d’Argent (Doppeletappe) 

Bis jetzt ging alles gut. Der Fuß hält und ich hab immer einen Hüttenplatz bekommen. Das heutige Tagesziel (Refuge des Merveilles), das im Herzen der Vallée des Merveilles liegt, war allerdings schon seit Wochen ausgebucht.

Ich starte deshalb mit einem leicht unguten Gefühl in diese 27. Etappe. Wird das Glück wieder auf meiner Seite sein?

Auf der kühlen Schattenseite starte ich mit Nicholas in den Tag.

Die Baisse de Basto (2693m) ist der letzte höhere Pass vor Menton. Auf dem Foto muss ich meine Hose festhalten, weil sie sonst runterrutscht. Nach vier Wochen wandern bin ich nur noch Haut und Knochen.

Wir passieren diverse Bergseen und kleine Schneefelder.

Und machen schließlich eine Mittagspause vor dem grandiosen Stausee Lac de Basto.

Etwas später erreichen wir den geschützten archäologischen Bereich der Vallée des Merveilles. Nur mit Guide darf man sich abseits des Weges bewegen, um die berühmten prähistorischen Felsgravierungen zu bestaunen. 

Ich persönlich stehe mehr auf Ölgemälde und finde in der Region die Bergseen  spannender als die Gravuren, die jedes Jahr tausende Besucher in das Tal locken. 

Leider finden sich auf der Strecke nun auch viele zeitgenössische Gravierungen von bescheuerten Touristen. 

Nicholas möchte sich in der Gegend noch etwas umschauen also ziehe ich alleine weiter.

Bald erreiche ich das Refuge des Merveilles. Die Hütte wird von einem Team junger, übermütiger Leute geführt, die scheinbar noch betrunken vom Vorabend sind und sich benehmen wie Teenies, die eine sturmfreie Bude haben. Was in gewissem Maße auch zutrifft.

Sie kommen sich jedenfalls reichlich cool vor. Richtige Ohrfeigengesichter. 

So bin ich nicht traurig darum, dass es keinen Schlafplatz mehr gibt, muss nun aber eine Doppeletappe laufen. Zum Glück ist die 28. Etappe die kürzeste der gesamten GTA. 

Und so wander ich ohne Pause auf einer alten Militärroute bis zum Camp d’Argent

Der Tag war lang und ich glaub, dass ich noch nie in meinem Leben so viel Lasagne gegessen habe wie an diesem schönen Abend. Lecker!

Tag 28 – Vom Camp d’Argent nach Sospel

Das Ende ist nun schon so nah, dass ich wie Gipfelfieber eine leichte Unruhe verspüre als ich morgens loslaufe. 

Eine entspannte 22 km Etappe, die lange Zeit an blumigen und grasigen Graten entlang verläuft. 

Hier hole ich einen interessanten amerikanischen Wanderer ein, den ich am Vorabend kennengelernt habe. 

Ohne eine Pause gemacht zu haben erreiche ich am frühen Nachmittag Sospel und damit schon fast die Zivilisation. Aber eine sehr pittoreske Zivilisation. Überall blüht es und es gibt nette kleine Restaurants und Cafés. Bevor ich mich um einen Schlafplatz kümmere, gönn ich mir erstmal ein Eis und andere Leckereien. 

Als ich so am Fluss sitze, kommt Nicholas über die Brücke gelaufen. Gemeinsam suchen wir die Pension aus dem Wanderführer. Doch als wir dort ankommen, stehen wir vor einer Baustelle. Mist. Eine Alternative im Ort gibt es leider nicht. Was tun? 

Wir überlegen hin und her als aus der verriegelten Pension eine Dame erscheint. Wir schildern ihr unser Dilemma und sie erklärt uns, dass die Pension gerade saniert wird und erst in ein paar Tagen wiedereröffnet werden soll aber wenn es uns nichts ausmache, können wir in einem der fast fertigen Zimmer übernachten. 

Top! Fortune favors fools! 
 

Tag 29 – Von Sospel nach Menton

Allons enfants de la patrie, le jour de gloire est arrivé! Es ist tatsächlich soweit. Die letzte Etappe steht bevor! 

Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker und dann geht es los. Diese letzte Etappe möchte ich alleine genießen und so lasse ich Nicholas wegziehen. Er hat es sowieso eiliger, weil er heute seine Freundin vom Flughafen in Nizza abholen muss. 

Auf mich wartet keiner (!) also hab ich alle Zeit der Welt. 

Es ist ein wunderschöner Morgen und ich versuche noch einmal bewusst alle Sinne zu aktivieren. 

Die Sonne und ich steigen immer weiter auf. 

Einige Stunden später verlasse ich einen Waldweg und trete auf offenes Gelände und dann liegt es plötzlich vor mir. Das Mittelmeer! Wow! Bis zum letzten Tag musste ich warten um es erstmalig zu Gesicht zu bekommen. 

Ich hätte nicht gedacht, dass die Berge so nah ans Wasser heranreichen. 

Bei meiner Wanderung von München nach Venedig, hatte ich das Meer schon mehrere Tage  vor meiner Ankunft zum ersten Mal gesehen. Hier musste ich mich wirklich gedulden.  

Aber der Weg zum erlösenden Türkis ist dann doch weiter als gedacht.

Ich möchte am liebsten direkt senkrecht absteigen aber stattdessen macht der GR 52 tatsächlich noch einmal einen weiteren Schwenk in die Höhe. Ich fasse es nicht!

Nach einem quälenden Abstieg erreiche ich den Stadtrand und schließlich stehe ich mitten in Menton, dem einzigen Ort in Frankreich an dem sogar Bananen reifen. 

Ich kenne Menton schon von meinem Roadtrip durch die Côte d’Azur und navigiere zielsicher zum Strand. 

Hier entdecke ich eher zufällig das wohl letzte GR -Zeichen der GTA. Weiter kann man nur noch schwimmen. 

Nichts täte ich lieber aber der Strand ist relativ gut besucht und ich habe Angst um meine Wertsachen. Vor allem meine Kamera mit allen Bildern. 

Stattdessen bitte ich zunächst eine Dame darum,  ein Bild von mir zu machen, da ich gerade die GTA erfolgreich beendet habe. Sie kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus. O-Ton: Ich hoffe, dass Sie in ihrem Land dafür die Anerkennung bekommen, die sie verdienen. 

Ich lach mich tot. Aber warum nicht? Vielleicht wird in Berlin schon die Fanmeile aufgebaut. 

So refreshing! Nach einem Snack halte ich es nicht mehr aus, lege meinen Rucksack ab und schwimme ins Meer hinaus. Fühlt sich das gut an!!!!

Schaut euch diese „lean, mean hiking machine“ an. Endlich wieder normale Schuhe tragen!

Note to myself: so könnte man natürlich auch Urlaub machen!

Ich bin die GTA schneller als geplant gewandert und nun bleiben mir noch einige Urlaubstage.

Da es leider in Menton keine (bezahlbare) Unterkünfte gibt (bis auf einen Zeltplatz aber ich habe kein Zelt), nehme ich in den Zug und fahre nach Nizza, wo ich meinen Urlaub entspannt ausklingen lassen werde. 

Fazit

Wahnsinn! I made it! ich bin die GTA – Grande Traversée des Alpes (auf dem GR5, GR 55 und GR 52) vom Genfer See bis nach Menton ohne Pausentag komplett zu Fuß durchgelaufen. 

29 Tage, 700 km, 40 000 Höhenmeter! Darüber werden einige Trailrunner bestimmt nur müde lächeln aber für mich war es ein hartes Stück Arbeit. Ich hatte zwar super Glück mit dem Wetter aber die Etappen sind brutal lang und man geht vom ersten bis zum allerletzten Tag extrem viele Höhenmeter. 

Hinzu kam, dass ich, bis auf einen Tag, die Tour hauptsächlich alleine gelaufen bin, was mental deutlich anstrengender ist, als wenn man sein Leid teilen kann.

Mit Blasen hatte ich dafür überhaupt keine Probleme. Aufgrund des hohen Laufpensums haben sich allerdings irgendwann meine Sehnen gemeldet. Irgendwie hab ich mich wie immer durchgebissen und könnte nun nicht glücklicher sein. 

Das ist nun meine zweite Alpenüberquerung. Der Traumpfad München- Venedig war viel geselliger, lustiger und eine klassischere Hüttentour mit vielen Bekanntschaften und super Hüttenfeeling. 

Die GTA war meditativer aber dafür landschaftlich insgesamt reizvoller mit vielen Tiersichtungen. Es war nie mein Ziel mich selbst zu finden aber das viele Alleinlaufen hat dann doch irgendwie dazu geführt. 

Wobei ich es auch beängstigend fand, wie viel Blödsinn ich im Kopf habe. Man stellt sich vor, wie man in der Natur wandert und sich die existenziellen Fragen des Lebens stellt aber stattdessen drehten sich meine Gedanken um Deutschrap, Abendessen und sonstigen irrelevanten Quatsch. 

Naja, deswegen bin ich wahrscheinlich auch immer so zufrieden. 

Wie so häufig in den Bergen, hab ich viele wanderwütige Menschen kennengelernt, die alle noch viel verrücktere Sachen gemacht haben als ich. Deshalb fühlte sich diese Ankunft auch nicht wie das Ende, sondern wie der Beginn von vielen weiteren Abenteuern an.

Von Bergen habe ich dann aber langsam genug. Als nächstes geht es vielleicht ans Meer oder auf eine Trekkingtour nach Skandinavien. Ich habe ein offenes Ohr für Vorschläge! 

Fakt ist: die GTA ist definitiv eine Wanderung wert!

Falls ihr noch Fragen zu dieser oder anderen Touren habt, könnt ihr mich gerne anschreiben. 

One love, 

Fabian

Alpenüberquerung auf dem GR 5

Teil 1 – Kosten, Organisation, Vorbereitung
Teil 2 – Die ultimative Packliste
Teil 3 – Vom Genfer See bis Les Houches
Teil 4 – Von Les Houches nach Landry
Teil 5 – Von Landry nach Modane
Teil 6 – Von Modane nach Ceillac
Teil 7 – Von Ceillac nach Auron
Teil 8 – Von Auron nach St. Dalmas
Teil 9 – Von St. Dalmas nach Menton
Teil 10 – After-Hike-Chill in Nizza

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