Etappen 13 bis 18
Pustertal nach Alleghe
Tag 14 – Von Weitental zur Kreuzwiesenalm
Ein neuer Tag beginnt auf dem Traumpfad.
Leider ein bittersüßer, denn ich muss heute mal wieder Abschied nehmen von meinen Weggefährten.
Fischi und Simon wollen einen Ruhetag einlegen und Magdalena und Sabrina müssen aufgrund anderer Verpflichtungen abreisen.
Ab Niedervintl bin ich also wieder „All by myself“.
Von hier geht es zunächst steil den dunklen Roner Wald hinauf. Ich hab selten so stark geschwitzt wie bei diesem Anstieg, obwohl es reichlich schattig ist.
Oben angekommen wird man mit einem offenen Panorama Richtung Dolomiten belohnt.
Nun ist es nicht mehr weit zur Kreuzwiesen Alm, wo ich Glückspilz den letzten Schlafplatz im Matrazenlager bekomme.
Gefühlt schlafen hier 50 Leute unter einem Dach. Eine amüsante Angelegenheit.
Tag 15 – Von der Kreuzwiesen Alm zur Schlüterhütte
Mit schweren Beinen starte ich in die 14. Etappe.
Hier und da muss ich mich todesmutig gegen Kühe durchsetzen, die mir immer wieder den Weg versperren. Mit Kühen sollte man nicht spaßen also Obacht.
Unterwegs laden viele schöne Orte zu einer Pause ein. Schlussendlich versammeln wir uns alle nach circa fünf Stunden auf der Maurerberger Hütte auf einen Drink.
Meine alten und neuen Wegabschnittsgefährten: Jule, Sandra, Michael und Anna. Mit diesen Menschen, dem Wetter und dem Panorama kann man es aushalten.
Aber wie immer habe ich Ameisen in der Hose oder Hummeln im Hintern. Nach kurzer Pause, düse ich weiter und schaffe es mal wieder mich zu verlaufen.
Ich schaue nur noch gelegentlich in meinen Reiseführer und folge stattdessen der Beschilderung. Diese schickt mich bald ein steiles Waldstück hinauf, bevor der Weg sich einfach im Nichts auflöst. Ein Männlein steht im Walde! Also alles wieder zurück. Eine Stunde Umweg. Danke!
Am Würzjoch zeigt sich die Anziehungskraft des Unesco-Weltnaturerbes Dolomiten: es wimmelt nur so von Tagestouristen, die ich naserümpfend zur Kenntnis nehme.
Man fühlt sich ein wenig wie in einem Disney Naturpark. Nur fehlt die Rolltreppe zur Peitlerscharte hoch.
In brutaler Nachmittagssonne quäle ich mich hinauf und treffe oben wieder auf meine Mitwanderer.
Nun ist es nicht mehr weit zur Schlüterhütte, die leider keinen Schlafplatz mehr für mich hat. Dafür bekomme ich einen geräumigen Platz im Notlager.
Ordnung ist das halbe Leben. Hier mein Schlafplatz im Notlager. Besser als im regulären Schlafraum mit Schnarchern würde ich sagen.
Tag 16 – Von der Schlüterhütte zur Puezhütte
Und täglich grüßt das Murmeltier. Zähne putzen, Wasserblase füllen, Sachen packen. Heute erwartet uns nur eine kurze Etappe, dennoch ziehe ich schon vor dem Frühstück mit Sandra, Anna und Jule los.
Die Alpendohlen stehen schon in der Morgensonne und das Panorama ist unglaublich.
Meine Beine sind nach der Etappe gestern wieder mal schwer und ich trotte mühselig voran.
Beim Aufstieg zur Roa-Scharte fängt mein rechtes Knie an zu Schmerzen und ich hab ein Taubheitsgefühl im rechten Fuß. Oben angekommen (2617 m) ist es arschkalt und windig.
Ich schraube mir schnell einen Müsli-Riegel rein und weiter geht’s zum kleinen Klettersteig durch die Nives-Scharte (2720 m) .
Schon am Mittag erreichen wir die Puez-Hütte. Der Wind, die Sonne und das fehlende Frühstück haben mich trotz kurzer Strecke platt gemacht. Statt extra Ausflügen auf angrenzende Gipfel verbringe ich den Tag lesend, um meine Beine zu schonen.
Mein erstes Buch ist durch die Regenfälle der ersten Woche zu doppelter Dicke angeschwollen, so dass ich es wegwerfen musste. Nun muss ich mir Lesematerial leihen.
Die Hütte ist traumhaft gelegen aber darüber hinaus ziemlich miserabel. Schlechtes Essen, mittelfreundliches Personal und kurze Betten.
Hinter dem Haus entdecke ich diese putzigen Schafe, die das Salz von den Steinen lecken.
Tag 17 – Von der Puez-Hütte zum Rifugio Piscadù.
Herrlicher kann ein Morgen nicht beginnen. Wir haben die Dolomiten ganz für uns alleine.
Beim zählen dieser Schafe, bin ich fast eingeschlafen. Mein Knie knirscht aber was soll man machen?
Eine bessere Aussicht als von Jimmy’s Hütte aus, kann man sich nicht wünschen. Vor uns ragt majestätisch das Sellamassiv. Da müssen wir tatsächlich einmal rüber.
Bei strahlendem Sonnenschein machen wir eine Pause.
Da konnten wir noch nicht ahnen, dass schon bald ein Unwetter aufziehen würde. Wir befinden uns ausgerechnet in der Via Ferrata Brigata Tridentina als sich der Himmel plötzlich verdunkelt und Regen einsetzt.
Ich gebe Gas, hechte die Drahtseile hoch und erreiche gerade noch rechtzeitig das Rifugio Pisciadiù als es beginnt zu Blitzen und zu Donnern. Nach und nach erreichen weitere Wanderer die Hütte. Teilweise durchgeschüttelt und weinend. Dass so schnell und heftig ein Gewitter aufzieht, hatte niemand erwartet.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass nur wenige Kilometer entfernt ein Wanderer in einem anderen Klettersteig vom Blitz erschlagen wurde.
Wir sind jedenfalls alle erleichtert gesund und munter untergekommen zu sein, beschließen aber sicherheitshalber die Nacht im Rifugio Pisciadù zu verbringen, statt weiter zur Boe Hütte zu wandern.
Tag 18 – Vom Rifugio Piscadiù zum Rifugio Viel dal Pan
Heute geht’s zur Abwechslung mal mit Frühstück den Berg hoch.
Am Lech vorbei und durch die Seile hinauf über den höchsten Punkt der Wanderung (2962 m). Der kalte Wind lädt aber nicht zum Verweilen ein also weiter.
Auf dem Weg zur Boe Hütte kommen wir an diesem kosmischen Steinbild vorbei.
Ein Hinweis auf außerirdische Besucher? Ich verschönere das Kunstwerk um ein steinerndes Herz und ziehe weiter.
Wer auf der Wanderung die 3000 Höhenmarke knacken möchte, kann dies ab der Boè-Hütte tun.
Hier kann man sein Gepäck ablegen und den „leichtesten 3000er der Dolomiten“, den Piz Boè, hinaufkraxeln bis auf 3152 Meter.
Da mein Knie knirscht, mein Fuß taub ist und ich auch schon auf höheren Bergen war, spare ich mir diesen Abstecher. Obwohl das Wetter tatsächlich dazu einladen würde.
Aber ich muss meine Kräfte schonen. Es sind noch ganze zehn Tage nach Venedig.
Je weiter ich mich Richtung Pordoi-Joch bewege, desto mehr Touristen Massen schieben sich mir entgegen. Wo kommen die auf einmal alle her?
Aha – über die Seilbahn! Und warum hat jeder zweite italienische Wanderer einen Hund?
Und ich meine damit nicht coole „Outdoor-Hunde“ sondern so kleine, nervige Kläffer.
Unten im Pordoy-Joch herrscht reger Verkehr. Hier sieht es wirklich aus wie in einem Alpen-Themenpark. Als ich gerade die vielbefahrene Straße überquere, höre ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen.
Tatsächlich gegenüber sitzt die pinkgekleidete Elke auf dem grauen Asphalt. Die habe ich seit Tagen nicht mehr gesehen. Sie musste aufgrund von Schienbein-Problemen einen Teil des Pfades mit dem Bus umfahren und wartet nun auf ihren Sohn, der weitergelaufen ist.
Wie aus dem nichts tauchen wenige Minuten später Michael und Franzi (aka Team Lörrach) auf. Wir tauschen uns über das Unwetter am Vortag aus, das auch die beiden auf dem Weg zur Boè-Hütte überrascht hat.
Dann ziehe ich mit dem Touristenstrom weiter Richtung Rifugio Viel dal Pan, wo ich tatsächlich noch einen Schlafplatz bekommen.
Nachdem ich meine Sachen gewaschen und geduscht habe, schaue ich aus dem Fenster und entdecke auf der brechend vollen Terrasse einen Jungen mit einem „FC Ingolstadt“ Trikot.
Da meine bayerischen Freunde, die aktuell eine Etappe hinter mir wandern, aus Ingolstadt kommen, beschließe ich den Jungen um ein Foto zu bitten, um Ihnen das Bild per Whatsapp zu zusenden. Wo auf dieser Erde findet man denn sonst mal einen Fan des FC Ingolstadts?
Ich erkläre den Eltern also kurz mein Anliegen, worauf der Vater mich fragt: „Wanderst du etwa mit dem Simon?“, „Das ist mein Cousin!“. Ich dachte ich höre nicht richtig.
Und als wäre das ganze noch nicht verrückt genug, ruft genau in diesem Moment Simon bei seinem Cousin an. Und ich gehe ran!
In dem Moment hat Simon glaub ich gedacht, dass die Höhenluft sein Gehirn angreift. Das kann man sich nicht ausdenken. Wahnsinn!
Das beste ist, dass Simon und Fischi die hinteren Plätze bei der München-Venedig Wanderung langweilig geworden sind, so dass sie sich heute entschlossen haben alle Energie-Reserven zu mobilisieren, um eine Doppel-Etappe zu laufen!
Und tatsächlich kommen die beiden Maschinen am Nachmittag glücklich und erschöpft am Rifugio an. Vorher hat Simon noch seine Familie auf dem Weg getroffen.
Doch leider gibt es auf der Hütte keinen Schlafplatz mehr, so dass die beiden noch 1,5 Stunden weiter zum Stausee Lago di Fedaia gehen müssen.
Wir anderen genießen den Sonnenschein auf der Terrasse, die wir nach dem Abgang der Tagestouristen auch ganz für uns alleine haben.
Zwei gut gelaunte Wanderpärchen, die nach 18 strapaziösen Tagen immer noch zusammen sind! Glückwunsch!
Am Abend spielen wir auf der Hütte noch „Wer bin ich“. Ich errate mich als letztes obwohl ich „Chewbacca“ war!
Tag 19 – Vom Rifugio Viel dal Pan nach Alleghe
Nach einem reichhaltigen Frühstück starte ich in die 18. Etappe.
Als ich etwas später am Stausee ankomme, stehen dort wie auf Kommando Simon und Fischi bereit. Die dritte Wiedervereinigung ist komplett!
Gemeinsam ziehen wir im Stechschritt weiter. Auf trockenen Ski-Pisten hinunter.
Vorbei an einer Galaxie aus Schafen.
Durch den Talgrund Serrai di Sottoguda in das blumige Örtchen Sottoguda.
Bis wir schon bald vor den Toren Alleghes stehen.
Happy Hikers. Mittlerweile laufen wir so schnell, dass wir bestimmt auch in den Bundeskader der Geher aufgenommen würden.
Am Nachmittag reist Sabrina erneut an, die aufgrund einer Hochzeit ein paar Tage aussetzen musste. Ab jetzt wird sie uns bis nach Venedig begleiten.
Abends treffen sich alle München-Venedig Wanderer auf eine Abschiedspizza für Sandra und Anna, die am nächsten Tag ihre Rückreise antreten werden. Dafür werden die neu dazugestoßenen Magdalena und Johanna uns bis nach Belluno begleiten.
Fazit
Die Strecke von Pustertal bis nach Alleghe gehört landschaftlich definitiv zu den Highlights. Überwältigende Panoramen.
Nach zwei Wochen wandern können die ersten Ermüdungserscheinungen auftreten. Von meinen Blasen war in den Dolomiten nichts mehr zu spüren. Dafür sind die Schmerzen Richtung Knie und Mittelfuß gewandert. Es gibt kein Entkommen. Aber der Weg ist Entschädigung genug.
Auch wenn man den Wetterbericht verfolgt, kann man von einem Unwetter überrascht werden und sollte wissen, wie man sich zu verhalten hat.
Tipp
- Das Rifugio Pisciadù ist nicht nur bei Unwetter zu empfehlen. Die Wirtsleute sind sehr nett und das Essen ist gut, wohingegen das Rifugio Boè über keine Dusche verfügt