Alpenüberquerung Salzburg-Triest – Von Salzburg bis Rauris

Etappen 1 bis 8

Etappe 1 Salzburg – Zeppezauerhaus (15,1 km ↑1350 ↓120)

Nach einem letzten Fit-Check in Berlin, geht’s zum Hauptbahnhof und mit dem Nachtzug Co2-arm nach Salzburg. Es wäre gelogen, wenn ich sage, dass ich gut geschlafen hätte aber immerhin bin ich pünktlich da.

Schilder gibt es keine und so lade ich mir spontan GPS-Offline Karten der Region runter. Dann geht’s auch schon los. In meiner uneleganten Wanderkluft schiebe ich mich an fein gekleideten Hochzeitsgesellschaften vorbei durch den Mirabellgarten. Ich passsiere den Pegasusbrunnen bis die Burg in Sichtweite kommt. Jetzt fehlt nur noch das Salz.

Hier lasse ich noch ein obligatorisches Vorher-Bild von mir machen. Die sehen immer superscheiße aus. Aber das hat schon Tradition.

Es ist nicht mein erstes Mal in Salzburg und die Berge rufen, deswegen lasse ich die Stadt rasch hinter mir und erreiche schon bald den märchenhaft leuchtenden Almkanal.
Ich folge seinen smaragdgrünen Kurven einige Kilometer zur künstlich geschaffenen „Almwelle“, wo SurferInnen ihr Können präsentieren. Die Berge sind nun auch schon in Sicht.

Kurz hinter Glanegg fängt der Teil mit der Alpenüberquerung an. Auf dem Dopplersteig geht es steil bergauf. Über zahlreiche Treppen und Holzleitern schraube ich mich aufwärts.

Mein GPS-Signal lässt nach, die Temperaturen sinken und der Nebel nimmt zu. Und Schwupps habe ich mich auch schon fast verlaufen. Der Weg führt mich zwar auch zum Zeppenzauerhaus aber auf einem deutlich ausgesetzteren Steig, den alle 50 Meter Gedenktafeln von abgestürzten Wanderern flankieren. Die meisten Todesfälle liegen allerdings schon einige Dekaden zurück, so dass ich munter weiterstapfe.

Schon bald erreiche ich das Zeppenzauerhaus. Das liegt schön in der Abendsonne. Die Temperaturen sind für diesen heißen Sommer aber ungewohnt frostig und so wärme ich mich erstmal unter einer Edelweiß-Decke im Matrazenlager auf, bevor ich mich kurz am Waschbecken frisch mache. Die Duschen sind nämlich aktuell kaputt.

Auf der Hütte ist nix los. Beim Abendessen unterhalte ich mich mit einem netten Pärchen, die eine kleinere Tour in der Region machen. Dann lege ich mich auch schon in die Koje.

Etappe 2  Zeppezauerhaus – Berchtesgaden (17,6 km ↑530 ↓1620)

Nach einem kurzen Frühstück ziehe ich los. Ein erster Anstieg in der Morgensonne zur Bergstation und dann über sattgrüne Hügel Richtung Störhaus.

Nur zu Info: Man kann sich auch mit GPS-Tracks verlaufen. Ich folge dem aus meiner Sicht einzigen Weg als mein GPS-Signal auf einmal komische Dinge anzeigt. Der Weg läge unter mir. Auch die Himmelsrichtung kommt mir komisch vor. Aber weil es aus meiner Sicht nur diesen einen Weg gibt, folge ich ihm weiter bergab auf Holzleitern durch den Fels.
Ich habe ein ungutes Gefühl aber auch keine bessere Idee.

   

Auf einmal stehe ich vor einem Schild „Schellenberger Eishöhle“ (Die Höhle ist auch in meinem Wanderführer notiert als 45 minütiger Abstecher)! So ein Mist. jetzt muss ich den gesamten Weg wieder zurücklaufen, bergauf! Als ich den Ausgangspunkt schwitzend erreiche, verstehe ich die Welt nicht mehr. Es gibt einfach keinen anderen Weg?
Aber nach etwas Suchen finde ich ihn doch. Er ging in einem 90 Grad Winkel von meinem Weg ab und war aber hinter einen Busch versteckt, so dass man die Abzweigung einfach nicht sehen konnte.

Bis zum Störhaus läuft dann alles weitgehend störungsfrei. Dort werde ich auf der Terrasse von einem Wanderer angesprochen, ob ich auch von Salzburg nach Triest liefe. Er hat das rote Band an meinem Rucksack gesichtet. Das Erkennungszeichen der Alpenüberquerer. Wir plaudern kurz und dann ziehe ich weiter.

Es folgt ein brutal langer Abstieg durch die Gluthitze nach Berchtesgaden. Ich bin beeindruckt von Familien, die mir mit ihren Kindern entgegen kommen. 

Ich hatte mir Berchtesgaden als mittelgroße Stadt vorgestellt und mir deshalb bezüglich Unterkunft keine großen Gedanken gemacht. Eine kurze Google Recherche lehrt mich eines Besseren. Die Unterkünfte sind rar und sauteuer. Zum Glück finde ich noch eine Jugendherberge. Leider muss ich dafür drei weitere Kilometer durch die Hitze in Kauf nehmen. Dafür ist die diese top ausgestattet und CO2 neutral. Beim reichhaltigen Abendbuffet schaufel ich mir einige Teller rein und schwinge mich anschließend auf mein Hochbett. Nach diesem Tag werde ich definitiv gut schlafen.

Etappe 3  Berchtesgaden – Carl-von-Stahl-Haus (15,3 km ↑1300 ↓140)

Ausgeschlafen trete ich in den sonnigen Tag und schlängle mich durch ein Bilderbuchpanorama bis zum Königssee.

Am Ufer des Sees bin ich leicht verwirrt, da mein GPS Track geradeaus über das türkis schimmernde Wasser geht. Ich überlege noch kurz, ob damit eine Bootsfahrt gemeint sein könnte, beschließe dann aber doch dem Uferweg zu folgen.

Im Wald hab ich einen tollen Panoramablick auf den See aber auch hier gerate ich in  Navigationsschwierigkeiten. Es dauert einige Zeit bis ich schlussendlich doch noch den zugewachsenen Weg finde, der mich steil den Berg hinaufführt.

Als ich aus dem Wald steche eröffnet sich ein grandioser Weitblick. Nun ist es nicht mehr allzu weit. An vielen Tagestouristen vorbei steige ich weiter auf.

Bis ich ein paar Kühe weiter schließlich in der Ferne das Carl-von-Stahl-Haus ausmache.

Ich beziehe meinen Platz im Matrazenlagen, in dem gerade ein paar überforderte junge Eltern versuchen ihr schreiendes Kleinkind zu beruhigen. Jetzt noch schnell die Wäsche waschen, Essen und dann ab ins Bett.

Etappe 4  Carl-von-Stahl-Haus – Wasseralm (13,4 km ↑1000 ↓1310)

Ein herrlicher Morgen beginnt und ich trete voller Tatendrang aus der Hütte. Ich bin maximal motiviert den ersten Anstieg auf den Schneibstein mit Tempo zu meistern.

Aber als ich gerade ein paar Meter auf einem, beidseitig mit Gestrüpp flankierten Weg, hinter mich gebracht habe, steht auf einmal eine Kuh vor mir!
Eine Umgehung auf dem schmalen Weg erscheint unmöglich. Ich rufe der Kuh zu, sie solle bitte Platz machen aber sie schaut mich nur unbeeindruckt an und bewegt sich keinen Millimeter. Rückwärtslaufen scheint für sie jedenfalls keine Option zu sein.

Ich bin schon am Verzweifeln als hinter der Kuh auf einmal die Hüttenwirtin auftaucht. Sie hat weniger Berührungsängste als ich und schiebt die Kuh beherzt mit beiden Händen am Hintern nach vorne. Ich drücke mich ins Gebüsch und bedanke mich herzlich. Jetzt habe ich freie Bahn!

In windeseile erreiche ich den Schneibstein (2276m), wo ich um diese Uhrzeit das herrliche Panorama ganz für mich alleine habe. 

Nach einem kleinen Snack geht es weiter. 

Entspannt trabe ich bergab bis zum Seeleinsee, wo ich erst Murmeltiere höre und dann sehe.

Nach einem Päuschen geht es weiter Richtung Wasseralm.

Als ich so durch den dichten Wald spaziere eröffnet sich jäh ein spektakulärer Traumblick auf den Obersee, Königssee und Watzmann.

Ich bin zwar nicht müde aber das Panorama gebietet ein weiteres Päuschen.

Nun ist es nicht mehr weit bis zu Hütte. Die Wasseralm ist notorisch überbelegt und ich habe keine Reservierung aber ich bin der erste Gast und so schaffe ich es noch einen Schlafplatz zu ergattern.

Nach und nach trudeln zahlreiche Wanderer ein. Plötzlich wird unter meinem Stockbett berlinert. Das hört man eher selten in diesen südlichen Gefilden. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es sich hier um eine Reisegruppe aus Oranienburg handelt, die ihre erste mehrtägige Wandertour in den Alpen absolviert. 

Etappe 5  Wasseralm – Ingolstädter Haus (13,9 km ↑1250 ↓550)

Die Wasseralm ist voll belegt und ich schlinge mein Frühstück in Rekordzeit hinunter, um den Trubel hinter mir zu lassen.

Der Morgen ist frisch und ich versuche mich durch zügiges Laufen aufzuwärmen. Dabei habe ich immer wieder einen tollen Ausblick auf den Watzmann. 

Nach einer Weile erreiche ich den Grünsee. Ich würde sagen, der Name ist Programm.

Als ich gegen Mittag das Kärlingerhaus erreiche, wird dieses gerade vom Hubschrauber versorgt. Ich gehe aber nicht bis zur Hütte sondern direkt weiter Richtung Ingolstädter Haus. Später lese ich in meinem Führer, dass ich so den Funtensee verpasst habe, der sich hinter der Hütte befindet. Hier wurde am Heiligabend 2001, die niedrigste Temperatur seit Wetteraufzeichnung in Deutschland gemessen (-45,9°C)! Die Kälte kommt dadurch zustande, dass sich der See in einem Kessel mit wenig Sonneneinstrahlung befindet, so dass die kalte Luft nicht abziehen kann.

Ein wenig mehr Kälte käme mir gerade recht, denke ich, als ich in der Gluthitze durch das sogenannte steinerne Meer „schwimme“ (in meinem eigenen Schweiß).

Am frühen Nachmittag erreiche ich schweißgebadet mit hochrotem Kopf das Ingolstädter Haus. Der Hüttenwirt ist bei meinem Anblick kurz davor die Bergrettung anzurufen. Auf dem letzten Abschnitt in der prallen Sonne bin ich wirklich bei lebendigem Leibe gegrillt worden.

Da ich einer der ersten Wanderer bin, kann ich in Ruhe duschen und meine Klamotten waschen. Das Ingolstädter Haus ist schön gelegen. Ein herrliches rundum Panorama, das am Abend durch einen Bilderbuch-Sonnenuntergang mit live Blasmusik abgerundet wird.

Das ist leider das einzig positive, das ich über das Ingolstädter Haus berichten kann. Ansonsten wird hier knallhart und unpersönlich Business gemacht. Man kann nicht in Ruhe auf der Hütte entspannen ohne dass alle fünf Minuten ein Kellner kommt und einen zum Konsumieren animieren will. Sehr nervig.

Etappe 6 Ingolstädter Haus – Maria Alm (17,6 km ↑350 ↓1670)

Die Geschäftemacherei auf der Hütte treibt mich früh aus dem Bett. Mit den ersten Sonnenstrahlen verlasse ich meinen hühnerstallartigen Schlafsaal außerhalb der Hütte.

Ich genieße die absolute Stille und die noch zarten Sonnenstrahlen auf meiner Haut.

Ich hüpfe weiter von Stein zu Stein. Die morgendliche Frische ist längst verflogen und ich fühle mich wie ein Brathähnchen im Backofen.

Noch vor dem Mittag erreiche ich das Riemannhaus, das spektakulär zwischen Breithorn (2504 m) und Sommerstein (2308m) liegt. Nach einer kurzen Frühstückspause, starte ich den Abstieg.

Der erste Abschnitt besteht größtenteils aus seilversicherten Passagen. Während ich weiter ab und die Temperaturen weiter aufsteigen, bin ich froh bald die schattige Kehrseite des Berges zu erreichen.

Auf den steilen Abstieg, folgt leider noch ein langer und sonniger Weg ins Tal, der gefühlt nicht enden will. Aber in Maria Alm stelle ich fest, dass das Panorama im Tal, dem Panorama auf dem Berg in nichts nachsteht.
Glücklicherweise finde ich recht zügig eine Unterkunft, die noch dazu in supermarktnähe ist. Ich hole mir jede Menge Snacks und dann heißt es Füße hoch und chillaxen.

Etappe 7 Maria Alm – Statzerhaus (14,8 km ↑1580 ↓270)

Die Wettervorhersage ist so mittel, deswegen möchte ich die heutige Etappe möglichst zügig angehen.

Und dann gibt’s auch noch Wölfe! Na dann mal los. Ziemlich steil geht es auf einer schwarzen Piste hinauf. Auf der gesamten Strecke begegne ich keinem einzigen Menschen. Dafür einige Kühe.

Der Himmel zieht sich bedrohlich zu, glücklicherweise bleibt es aber trocken. Das letzte Drittel des Weges geht es zur Abwechslung über einen Bergrücken, was angenehm ist. Tolle Aussicht und wenig Höhenmeter. Der ganze Weg ist flankiert von Ameisenhaufen. Noch nie habe ich so viele Ameisen in meinem Leben gesehen.

Bevor das Unwetter startet, habe ich das Statzerhaus erreicht. Perfektes Timing. Die Hütte als runtergekommen zu bezeichnen wäre ein Euphemismus. Sie ist absolut stickig, stinkig und speckig, vom Schlafsaal bis zu den sanitären Anlagen. Das wird leider nicht durch die Freundlichkeit der Hüttenwirtin ausgeglichen.
Naja, wenigstens sind ein paar nette Gäste da. Zum einen Klaus, der auch von Salzburg nach Triest läuft und dann noch zwei Mädels, die eine Tour in der Region machen. Gegen eine von den beiden verliere ich circa zehn mal beim Mühlespiel, kann im Anschluss aber glücklicherweise beim Schach noch meine Ehre retten.
Nach dem Essen folgt eine kalte Katzenwäsche, bevor ich mich widerwillig in den Schlafsaal begebe. Die gute Nachricht ist, dass die Hütte wohl in nächster Zeit komplett saniert werden soll. Der Standort ist jedenfalls unschlagbar.

Etappe 8 Statzerhaus – Rauris (22,3 km ↑430 ↓1600)

Der morgen startet buchstäblich himmlisch. Wie auf Wolken folge ich dem Trail ins Tal.

Ich habe mich gerade auf Betriebstemperatur gewandert als ich jäh die Geschwindigkeit drosseln muss, weil eine ganze Kuhherde auf dem schmalen Pfad steht. Dabei hatte ich mich gerade erst durch deine Gruppe Ziegen gekämpft.
Mindestens einen halben Kilometer treibe ich mit lauten Rufen die Herde vor mir her, bis ich endlich eine Chance habe vorbeizuziehen.

Wenig später erreiche ich die Riester Aste, wo man auch hätte übernachten können. Es folgt ein langer waldiger Abstieg.

Ich erreiche Taxenbach, hole mir einen kleinen Snack im Supermarkt und überquere einen tosenden Fluss. Wenig später stehe ich auf einem Parkplatz umringt von Touristen. Ich wunder mich, was hier los ist.
Dann stehe ich unvermittelt vor einem Drehkreuz. Eintritt nur mit Ticket! Umgehung nicht möglich. Ich habe scheinbar am Vortag nicht den Wanderführer konsultiert, sonst wüsste ich jetzt, dass ich die Kitzlochklamm erreicht habe, die als eine der schönsten Klammen der Alpen bezeichnet wird. Aktuell auch die vollste, leider.
Widerwillig zahle ich Eintritt (der mir netterweise vergünstigt angeboten wird, da ich Alpenüberquerer bin), setze mir einen Helm auf und los geht’s.

Über viele Treppen, Brücken und Stege kämpfe ich mich durch die Klamm. Im Juli 1974 kam es hier zu einem tragischen Unfall als sich eine Gruppe mit 30 deutschen Schülerinnen auf einem Steg für ein Foto zusammenstellten und dieser unter der Last zusammenbrach und die Gruppe in die Tiefe riss.

Ich erreiche zum Glück unbeschadet das Ende der Klamm und arbeite mich durch die drückende Hitze weiter. Dabei muss ich ätzender Weise auf den letzten Kilometern noch einen Umweg gehen, da mein Weg aus Sicherheitsgründen gesperrt ist. Per GPS navigiere ich weiter nach Rauris.

Dummerweise zieht die GPS-Nutzung viel Akku, so dass sich kurz vor Rauris mein Handy abschaltet. Nun weiß ich nicht, wo meine Unterkunft ist. Doch wie es der Zufall will, stehe ich just in diesem Moment vor eine Touri-Info, wo mir schnell weitergeholfen wird. Wahnsinnig groß ist Rauris sowieso nicht. Ein paar hundert Meter und ich habe meine Pension erreicht.

Fazit

Ein herrlicher Start in die Tour. Ohne Vorgeplänkel geht es direkt an Tag 1 in die Berge. Landschaftlich jagt ein Highlight das nächste. Besser geht’s nicht.
Außerdem bin ich nun scheinbar ein routinierter Alpenüberquerer: die ersten Etappen habe ich blasenfrei und körperlich unversehrt überstanden. Das war nicht immer so. Mit dem Wetter hatte ich auch Glück. Die Hitze drückt zwar gelegentlich ganz schön aber das ist mir immer noch lieber als Regen.
Jetzt bin ich schon gespannt, was der Nationalpark Hohe Tauern so zu bieten hat. 

Alpenüberquerung von Salzburg nach Triest

Teil 1 – Kosten, Organisation, Vorbereitung
Teil 2 – Die ultimative Packliste
Teil 3 – Von Salzburg bis Rauris
Teil 4 – Von Rauris bis Tarvisio
Teil 5 – Von Tarvisio bis Triest

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