On the road – Die Urfassung

awesomatik auf Buchfühlung

On the road: The original scroll – Jack Keruac

1951 tippte Jack Keruac auf seiner Schreibmaschine in einem Ausbruch kreativer Energie innerhalb von drei Wochen die erste Fassung von On the road ab. Auf notdürftig zusammengeklebten Seiten, brachte er seine Reiseimpressionen in einem absatzlosen Text zu Papier.

Ausgerollt formt dieses Schriftstück auch physisch eine Straße, was den Kultcharakter des Romans noch verstärkt.

Im Gegensatz zum sechs Jahre später erscheinenden Roman ist diese Rohfassung etwas länger, roher, wilder, frenetischer und sexuell expliziter. Außerdem verwendete Keruac hier noch die echten Namen seiner Weggefährten. Zum 50. Erscheinungsjubiläum von On the road ist die Rolle nun für jedermann nachzulesen.

Der Name des Buches ist Programm: Nach dem Tod seines Vaters, Ende der 40er Jahre, startet Keruac in eine Lebensphase, die er selbst als my life on the road bezeichnete. Inspiriert von seinem verrückten Freund Neal Cassady, bereist er mal alleine, mal mit seinem bohemischen Freundeskreis den amerikanischen Kontinent. Immer auf der Suche nach dem It, dem Sinn des Lebens, dem Geiste von Amerika.

Zunächst muss man anerkennen, dass diese Original Scroll Ausgabe von Penguin optisch ein wunderschönes Buch ist. Schlichtes Design mit Seiten aus dickem gelblichen Papier, die am Rand abgewetzt wurden, so dass man den Eindruck hat ein Originalmanuskript in den Händen zu halten. Es strahlt förmlich Kult, Abenteuer, Freiheit und Kreative Energie aus.

Tja und dann schlägt man das Buch auf und die Euphorie wird jäh durch ein 100 seitiges Vorwort gebremst, das die Entstehungsgeschichte von der Rohfassung zum Roman erläutert. Es ist nicht total uninteressant aber viel mehr als auf Wikipedia erfährt man auch nicht. Hat man sich da durchgequält geht es endlich los!

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The bad

Das wirklich brutalste an dieser Ausgabe ist, dass es weder Absätze, noch Kapitel gibt! Ein einziges Meer aus Buchstaben. Über 300 Seiten ununterbrochener Lesespaß?

Au contraire, mon frère. Liest man abends fünf bis zehn Seiten, bis einen die Bettnachbarin zwingt das Leselicht zu löschen, kann man am nächsten Tag nochmal von vorne beginnen, weil nichts hängen geblieben ist.
Eine redaktionelle Hürde also, die es einem zuweilen schwer macht, sich auf den Inhalt zu konzentrieren.
Der wirkt zunächst auch recht trivial. Style over substance musste ich des Öfteren denken. Klar springt einem sofort der atemlose, kurzsätzige, umgangssprachliche Schreibstil an. Für damalige Verhältnisse sicherlich revolutionär.
Mittlerweile wurde dieser Stil so oft kopiert und abgewandelt, dass es einem nicht mehr so bahnbrechend erscheint.

Im ersten Teil reist Keruac durch die Gegend, trifft Freunde und jobbt zwischen New York, Denver und San Francisco. Das ist größtenteils unspektakulär. Zu viele Namen, zu viele Orte, zu wenig Handlung. Richtungslos wie das Leben oder eben eine Rohfassung.

Ich war bereit dieses Buch zu lieben und mich darin zu verlieren aber der Funken wollte einfach nicht überspringen. Im Gegenteil, die selbstsüchtige, naive Art der Protagonisten waren mir unsympathisch und deren planlose Aktivitäten egal.

Ich hatte schon fast aufgegeben als sich nach und nach aus dem Mosaik an Nichtigkeiten eine tiefere Ebene auftat.

The good

Mit dem zweiten Teil, der sich noch intensiver mit dem getriebenen Neal Cassady beschäftigt, bekommt Keruac wieder die Kurve. Sein besessener Weggefährte gibt nun den Ton an und die Richtung vor. Er verhilft der Geschichte zu neuem drive.

Die Fassade des unkonventionellen Poetenlebens aus exzessiven Partys, schnellem Sex und heißen Jazzrhythmen auf den offenen Straßen Amerikas bekommt langsam Risse. Die jungen wilden reisen nur noch der Verantwortung davon. Vaterlos und verloren irren sie über den Kontinent in eine unsichere Zukunft.

Langsam dringt das Lebensgefühl einer ganzen Generation durch die Seiten. Die Beatgeneration – Euphorisch und gleichzeitig geschlagen.

Verkörpert durch den chaotischen und rastlosen Helden Neal Cassady, der nie genug vom Leben bekommen kann und sich ohne Rücksicht auf Verluste von einer Ekstase zur nächsten hangelt.
Keruac scheint sich zum Ende warm geschrieben zu haben, denn auch der Text wirkt poetischer und flüssiger.

On the road ist außerdem seine Liebeserklärung an den amerikanischen Kontinent. Immer wieder begeistert er sich für das offene Land, die unendlichen Straßen, die Wildnis und die Menschen. Sie liefern die perfekte Kulisse für den Trip seines Lebens.

The ugly

Neben all der himmelhochjauchzenden Freiheit und der permanenten Suche nach dem ultimativen Kick, hinterlassen Keruac und Cassady eine Spur der emotionalen Verwüstung.

Unterwegs heiraten und schwängern sie diverse Frauen, nur um sich wiederholt aus dem Staub zu machen. Alle paar Meilen verlieben sich die beiden unsterblich und lassen die angebeteten Damen dann erbärmlich sitzen.

Regelmäßige Bordellbesuche und Sex mit Minderjährigen bereiten den Roadtrippern keinerlei Kopfzerbrechen. En passant erwähnt Keruac außerdem, dass Cassady sich unterwegs etwas Geld als Stricher verdient. Dieses egomanische, frauenverachtenden Verhalten der beiden, stößt einem mehr als einmal bitter auf…

Fazit

Da ich den finalen Roman nicht gelesen habe, kann ich nur diese Rohfassung bewerten. Ich vermute aber, dass ich schon allein aus Gründen der Lesbarkeit, den Roman vorziehen würde. Das original Scroll ist eine zwiespältige Leseerfahrung.
Der Wildheit und der Hunger nach Leben, die Liebe zum Uramerika und das kreative, analoge Lebensgefühl der Beatgeneration(frei von Handys und social media) sind zwar durchaus ansteckend.

Anderseits fehlt der Handlung streckenweise die Richtung und es fällt mitunter schwer sich mit den rücksichtslosen, selbstsüchtigen Charakteren zu identifizieren. Von mir also nur eine eingeschränkte Leseempfehlung. Neal Cassady würde es wohl etwas euphorischer formulieren: – „Dig this Book, man! Yass, Yass!! God what kicks“.

Wertung 2,7/5

1. Geht gar nicht     2. Is OK     3. Gut    4. Richtig gut    5. awesomatik!

awesomatik Kuriosum

Die Original Schriftrolle existiert immer noch und wurde 2001 von Jim Irsay für schlappe 2.43 Millionen Dollar gekauft.

Hier noch der Trailer zur aktuellen Verfilmung. Kritiken bisher nur durchwachsen. Sieht aber super aus, wie ich finde:


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On the Road: The Original Scroll: (Penguin Classics Deluxe Edition)

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